Essgefühl, essstörungen und adipositas
Quelle: Nutriactis/ dem Universitätsklinikum CHU Rouen-Normandie
Zusammenfassung
- Einführung
- Verlust der Essgefühle
- Die Wiederherstellung der Essgefühle
- Schlussfolgerung
Einführung
Wenn keine Krankheit vorliegt, spiegeln die Essgefühle die Bedürfnisse unseres Organismus wider. Und wenn wir auf diese Empfindungen achten, sollte das Energie- und Nährstoffgleichgewicht unseres Körpers gegeben sein. In manchen Fällen spiegeln die Essgefühle jedoch nicht mehr die Bedürfnisse des Körpers wider. Solche Situationen können pathologisch werden, wenn sich eine Chronizität (wiederholtes Auftreten über einen längeren Zeitraum) einstellt. Dies ist in der Regel bei Menschen mit Essstörungen oder Adipositas der Fall. Beim Lesen dieses Newsletters werden Sie mehr erfahren über den Verlust der Essgefühle (EG) und seine Folgen, und wir schlagen Ihnen eine Übung vor, um diesem Verlust entgegenzuwirken.
Verlust der Essgefühle
Menschen mit Essstörungen und/oder Adipositas haben in der Regel ein repetitives und langfristiges Essverhalten, das zu einer Beeinträchtigung des Belohnungssystems führen kann. Eine solche Beeinträchtigung kann zu einer verringerten Wahrnehmung der Essgefühle und damit zur Fortdauer gewisser Essstörungen führen.
Es lassen sich zwei Profile unterscheiden:
- Restriktives Profil: Die Herausbildung einer wiederholten und freiwilligen Nahrungsbeschränkung, die mit einem Gefühl der Befriedigung verbunden ist, führt zu einem Verlust der Achtsamkeit für seine Essgefühle und kann langfristig zu einem Verlust der Essgefühle selbst führen.
- Zwanghaftes Profil: Nach wiederholten Episoden mit zwanghafter Nahrungsaufnahme können die beschriebenen Personen die Kontrolle über ihre Ernährung verlieren und ihre Essgefühle ausblenden. Wenn man seine Essgefühle über längere Zeit ignoriert, besteht die Gefahr, dass sie mit der Zeit nachlassen und nicht mehr wahrgenommen werden.
Außerdem können die durch das zwanghafte Essen ausgelösten Schuldgefühle in manchen Fällen auch zu einem einschränkenden Verhalten führen, mit dem die vorherige, als zu viel empfundene Nahrungsaufnahme kompensiert werden soll.
In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass man durch den Kampf gegen sein Hungergefühl oder aber Essexzesse beginnt, Genuss, Belohnung und Einschränkung gleichzusetzen, was zu einer Essstörung führen kann.

a Ghrelin-Resistenz und Leptin-Resistenz sind hormonelle Erscheinungen, die die Nahrungsaufnahme auf gegensätzliche Weise beeinflussen. Eine Resistenz bedeutet nicht, dass das Hormon im Organismus nicht mehr vorhanden ist. Der Fehler liegt nicht in der Produktion des Moleküls, sondern in der Effizienz seines Kreislaufs. Dies erklärt, warum wir das Hormon bei den von einer Resistenz betroffenen Personen in höheren Mengen finden, weil dieser Kreislauf gestört ist.
- Ghrelin ist ein orexigenes Hormon (appetitsteigernd), das besser bekannt ist als „Hungerhormon“. Eine Ghrelin-Resistenz führt zu einer geringeren Empfindlichkeit für das Hungergefühl und damit zu einer eingeschränkten Nahrungsaufnahme. Dieses Hormon findet sich bei Menschen, die an Anorexia nervosa leiden, in größeren Mengen.
- Leptin ist dagegen ein appetithemmendes Hormon, das auch als Sättigungshormon bezeichnet wird. Eine Leptin-Resistenz hat zur Folge, dass das Sättigungsgefühl verloren geht, was zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme führt. Daher ist dieses Hormon bei Menschen mit Binge-Eating-Störung in größeren Mengen vorhanden.
Die Wiederherstellung der Essgefühle …
Das Erkennen seiner Essgefühle und ein angemessenes Reagieren darauf ermöglichen es:
- sein Gewicht zu normalisieren und zu halten
- das Risiko für zwanghaftes Verhalten zu senken
die Nahrungsaufnahme zu regulieren
- seinen Energiehaushalt auszugleichen
- die Bedarfe des Organismus besser zu decken (Energie, Nährstoffe, Vitamine & Mineralstoffe)

Achtsames, bewusstes Essen kann eine sinnvolle Übung sein, um seine Essgefühle wiederherzustellen [3], und zwar über zwei Hauptvorgänge:
- Bewusstes Essen bedeutet, auf seine physiologischen und emotionalen Signale zu hören. Dann wird die Nahrungszufuhr dem Bedarf entsprechen und dem Organismus das geben, was er braucht, ohne Übermaß oder Mangel.
- Bei diesem Vorgang wird es eine bewusste Ernährung ermöglichen, den Einfluss externer Signale auf seine (qualitativen und quantitativen) Ernährungsentscheidungen zu begrenzen und sich stattdessen wieder auf seine physiologischen Signale zu konzentrieren.
Schlussfolgerung
- Wie erläutert, kann eine Situation, in der die Essgefühle, also die Empfindungen für die Nahrungsaufnahme, verloren gehen, zu Veränderungen des Essverhaltens führen. Dann können eine Essstörung und/oder Adipositas entstehen oder andauern.
- Wenn man wieder lernt, auf diese körperlichen Empfindungen des Hunger- und Sättigungsgefühls zu achten, kann das Energiegleichgewicht wiederhergestellt werden.
- Dennoch ist es wichtig, seine physiologischen Bedürfnisse zu befriedigen und eine ausgewogene Ernährung im Tagesablauf (3 Mahlzeiten ± 1 Zwischenmahlzeit) einzuhalten, auch bei Personen, die kein Hungergefühl verspüren.
- Ein völliges Fehlen von Hunger kann trügerisch sein, da der Organismus trotz allem eine Energiezufuhr benötigt, die seinen Verbrauch deckt.
- Achtsames Essen kann beim Versuch der erneuten Synchronisierung seiner Essgefühle hilfreich sein.

Bis das Interventionsprogramm NutriActis (Phase 2) verfügbar sein wird, empfehlen wir Ihnen eine Vorübung, mit der Sie beginnen können, wieder auf Ihre Essgefühle (EG) zu achten:
Bitte bewerten und notieren Sie vor Beginn und am Ende jeder Mahlzeit, auch einer Zwischenmahlzeit:
- Ihr Hungergefühl auf einer Skala 1 bis 5 vor der Mahlzeit
- Ihr Sättigungsgefühl auf einer Skala von 6 bis 10 nach der Mahlzeit.

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Essgefühl, essstörungen und adipositas
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